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 Die heilige Maria erscheint in Wien
dunkelland Offline




Beiträge: 154

08.06.2007 12:25
RE: Die heilige Maria erscheint in Wien Antworten

Die heilige Maria erscheint in Wien



Wer vom Stephansplatz aus den Graben entlang wandert, die Pestsäule hinter sich lässt und schließlich in Richtung Tuchlauben abzweigt, der wird schon nach wenigen Schritten vor der Steindlgasse stehen und dieser vermutlich nicht mehr Beachtung schenken, als all den anderen schmalen Wegen, die das alte Wien mit Kopfsteinpflaster und gotischen Torbögen so romantisch erscheinen lassen. Dabei gibt es gerade hier zwei durchaus gute Gründe, ein wenig zu verweilen: Erstens eröffnet sich dem erschöpften Touristen, genauso wie dem kundigen Wiener die Möglichkeit, die Strapazen des täglichen Seins mit einem Kurzaufenthalt in einer Klinik vergessen zu machen – einer Bierklinik wohlgemerkt, denn der Gerstensaft soll ja durchaus heilende Eigenschaften besitzen. Folgt man dem Weg nach einer Stärkung dann noch etwas weiter, so wird man andererseits rasch der kleinen, windschiefen Hütten gewahr werden, die sich dicht an die steinernen Mauern der umliegenden Gebäude schmiegen und nicht so recht in das Stadtbild passen wollen. Am ehesten erinnern diese seltsamen Konstruktionen an Andenkenläden – ein Sisy Glas hier, ein kleiner Stephansdom dort – doch diese Shops haben nicht geöffnet, zu kaufen gibt es dort nichts.

Will man dem Geheimnis dieser Hütten auf den Grund gehen, so muss man einen Ausflug in das sechzehnte Jahrhundert unternehmen, in das Jahr 1550 um genau zu sein und man muss dazu nach Polen reisen. Dort nämlich, im Schloss Rostkowo, wurde in jenem Jahr Stanislaus Kostka als Sohn einer bedeutenden polnischen Adelsfamilie (Wappenstamm Dabrowa) geboren. Schon als Kind er war mit seinem Vater im Jahre 1564 nach Wien gekommen, um zusammen mit seinem Bruder eine, dem Stande entsprechende Erziehung im Jesuitenkolleg zu genießen. Doch wie das mit Söhnen nun mal so ist, beschloss Stanislaus, dem der Beinahmen „der Freundliche“ wohl gut gestanden hätte, kurzum selbst Jesuit zu werden, zum Entsetzen des Vaters, der für seinen Sohn bereits andere Pläne geschmiedet hatte. Trotz der vorbildlichen Führung des jungen Kostka waren auch die Jesuiten von diesem Vorhaben wenig begeistert, fürchteten sie doch Repressalien der einflussreichen Adelsfamilie.
Im Jahre 1566 allerdings erkrankte der Jüngling so schwer, dass man um sein Leben bangen musste. Hohes Fieber fesselte Stanislaus ans Bett, die Ärzte vermochten nicht zu helfen. Die Sterbesakramente sollten gespendet werden, doch der protestantische Hausbesitzer verweigerte die katholische Praktik – die Lage schien aussichtslos. In einer dieser dunklen Nächte, die der sterbende Junge mit Beten zubrachte, wollen Zeugen dann folgende Beobachtung gemacht haben: Plötzlich rief Stanislaus laut aus, dass er die heilige Barbara sehen könne, begleitet von zwei Engeln und sie hieß ihn auf die Knie zu fallen. Doch damit noch nicht genug. Die Mutter Gottes selbst näherte sich ihm mit dem Jesuskind auf dem Arm, sprach zu Stanislaus und erleichterte die Entscheidung des verwirrten Knaben, welchen Weg er denn nun zukünftig einzuschlagen hätte. Stanislaus sollte auch nach dem Willen des Himmels Jesuit werden.
Nun gab es kein Halten mehr. Gegen die Jungfrau Maria kam auch ein gestrenger Vater nicht an, Stanislaus flüchtete nach seiner Genesung aus der klösterlichen Schule und machte sich auf die beschwerliche Reise nach Rom. Sein Herzenswunsch Mönch zu werden, ging im Jahre 1567 schließlich in Erfüllung.

Stanislaus soll seinen eigenen Tod vorhergesagt haben, Am 15. August 1568 schließlich trugen seine Mitbrüder den leblosen Körper des jungen Mannes unter Tränen zu Grabe. Ein Fieberanfall hatte ihn dahingerafft. Er wurde in Rom bestattet.

Trotz seines kurzen Lebens bleibt Stanislaus Kostka im kollektiven Gedächtnis der katholischen Kirche erhalten. Im Jahre 1605 wird er selig gesprochen, 1726 folgt die Heiligsprechung. Auch heute noch genießt er vor allem in Polen hohes Ansehen, er gilt als ein Nationalpatron und Patron der Ministranten, sowie der studierenden Jugend.
Der Name des außergewöhnlichen jungen Mannes hat zusammen mit der Marienerscheinung Eingang in der Welt der wiener Sagen gefunden, auch wenn dieser Text heute weniger populär ist als manch anderer Stoff. Was bleibt ist das Haus „zur goldenen Schlange“, Steindlgasse – Ecke Kurrentgasse, in welchem Maria sich einst gezeigt haben soll. Von außen kaum zu sehen, wurde in jenem Schlafgemach eine kleine Kapelle eingerichtet, die an den Heiligen und seine Vision erinnern soll. Man muss schon genau hinsehen, um in der Kurrentgasse jenes Fenster zu erkennen, hinter dem sich das Mysterium vor langer Zeit ereignet hat. Eine kleine, in Latein gehaltene Inschrift, gibt Auskunft darüber.

Und unsere eingangs erwähnten Hütten?
Stumm geben sie darüber Auskunft, dass auch Wien sein Marienwunder hat, seinen eigenen kleinen Wallfahrtsort, welcher den Pilger natürlich nicht mit leeren Händen entlassen konnte. Wer Wallfahrtsorte wie Mariazell in der Steiermark oder Maria Schutz nahe des Semmering kennt, dem werden diese kleinen Hütten nun gewiss bekannt vorkommen. Vollgestopft sind sie mit Devotionalien, von wahren Kunstwerken bis hin zu billigen Mitbringseln reicht die Palette und auch das eine oder andere Spielzeug für den Nachwuchs wartet auf einen Käufer.
Ich habe die kleinen Läden rund um die Marienkapelle in der Kurrentgasse niemals geöffnet gesehen und auch die Kapelle selbst kann man in der Regel nicht betreten. Vielleicht ist dies aber auch gar nicht so wichtig. Vielleicht reicht es schon zu wissen, dass hier einst ein junger Mann wenige Monate seines Lebens verbracht hat, der laut seiner Mitmenschen so große Herzensgüte, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit bewies, dass dieser Platz gesegnet schien.

W.Brenner, 2007

http://dunkelland.blogspot.com/

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