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 Kurioses und Seltsames aus der Welt von gestern
dunkelland Offline




Beiträge: 154

16.06.2009 18:37
RE: Die Geisterfalle - von Kronprinz Rudolf Antworten

Im Gegensatz zu seiner Mutter, Kaiserin Elisabeth, konnte der Kronprinz Österreichs an dem, im 19 Jh. so populären Spiritismus nie sonderlich viel Gefallen finden. Vielmehr versuchte er, Scharlatanen und Schwindlern auf die Spur zu kommen und trat den Gegenbeweis mit durchaus drastischen Mitteln an.
In dem folgenden, von Rudolf verfaßten Artikel, beschreibt der Kronprinz eine solche Aufdeckung:


DIE GEISTERFALLE

12. Februar 1884

Baron Lazar Hellenbach, der eine Reihe von Schriften
publiziert hat, in welchen mit großem Geiste die Wahr-
haftigkeit und die Berechtigung der Spiritistengeister
verteidigt wird, hatte eines der berühmtesten „Medien",
das den Namen Bastian angenommen hat, nach Wien
zitiert und dieses Medium zum Zwecke eingehender Ex-
perimente dem Erzherzog Johann zur Verfügung gestellt.
Dieser ersuchte den Kronprinzen Rudolf, der bereits früher
eine Anzahl von — negativen — Erfahrungen über den
Spiritismus gesammelt hatte, an den Experimenten teil-
zunehmen. Es wurden im ganzen drei Seancen abgehalten.
Die ersten zwei Sitzungen gingen vor sich, ohne daß
einer der Anwesenden einen ernsten Versuch gemacht
hätte, der Sache auf den Grund zu kommen. Dies machte
das Medium offenbar sehr sicher, es begegnete scheinbar
keinem Mißtrauen.

Das Hauptstück des Spiritismus besteht aber in dem
Erscheinen von Geistern, und auch dieses wurde produ-
ziert, in reicher Auswahl produziert. Aber schon waren
die Vorbereitungen getroffen, um eines dieser Geister
habhaft zu werden, und in der dritten Sitzung am 11. Fe-
bruar 1884, in welcher außer dem Kronprinzen, dem Erz-
herzog Johann, dem Erzherzog Rainer noch Fürst Batthy-
äny, FML. Baron Schloissnig und Oberstleutnant Baron
Mensshengen, Baron Hellenbach und selbstverständlich
das „Medium*' Bastian anwesend waren, klappte die
Geisterfalle zu. Das begab sich folgendermaßen:

Die erlesene Gesellschaft befand sich, wie gesagt, in
einem beleuchteten Gemache. Aus demselben gelangt man
in ein zweites, kleines Gemach, das für Bastian bestimmt
war. Gewöhnlich sind die beiden Räume durch zwei
Doppeltüren getrennt. Es war also eine innere und eine
äußere Doppeltüre vorhanden. Zum Zwecke der Produk-
tion wurde die innere, in das Gemach, wo die Herren ver-
sammelt waren, gehende Doppeltür ausgehängt. An ihrer
Stelle befand sich ein schwerer Teppichvorhang, eine so-
genannte Portiere. Die zweite, in das für Bastian be-
stimmte Zimmer gehende Doppeltüre war jedoch nicht
ausgehängt. Die beiden Flügel standen also offen, so daß
Bastian von dem Gemache, wo die Herren saßen, nur
durch den Vorhang getrennt war.

Diese Doppeltür nun, die nicht ausgehängt worden war,
deren beide Flügel jedoch geöffnet waren, und die dem
Medium Bastian, der sie schon bei den zwei ersten
Sitzungen gesehen hatte, keinerlei Mißtrauen einflößte,
wurde mit Hilfe eines kunstgeübten Schlossers als Geister-
falle eingerichtet. Es wurden nämlich an den beiden Flü-
geln der Türe oben zwei Federn so angebracht, daß diese
Flügeln zusammenklappen mußten, wenn an ihnen mittels
einer Schnur gezogen wurde. Und waren sie einmal zu-
geklappt, so konnten sie nicht ohne größte Anstrengung
wieder geöffnet werden, denn die Federn hielten fest.
Von diesen Federn wurde die Leitschnur obenweg fast
unsichtbar in das Gemach geführt, wo die Herren die
Kette bildeten. An der Wand fortlaufend ging die Schnur
dann hinab, so daß sie leicht mit der Hand erreicht werden
konnte. Und damit sie nicht auffalle, wurde sie an ihrem
unteren Ende mit einem Stück Wachs an die Tapete fest-
geklebt, mit Wachs eben, damit das Abziehen der Schnur
leicht vonstatten gehe.

Das alles wurde genau ausgeführt, und am Morgen
des 11. Februar besichtigten Kronprinz Rudolf und Erz-
herzog Johann die Vorrichtung und ließen sie probeweise
wiederholt spielen. Das Werk erschien vollständig ge-
lungen. Verabredet wurde noch, daß der Kronprinz und
der Erzherzog Johann am Abend ihre Plätze nebenein-
ander nehmen sollten, und zwar mit dem Rücken gegen
jene Wand, wo die Schnur hinabhing. Wenn es Zeit sein
sollte zu ziehen, hatte der Kronprinz das Signal durch
Aufstehen von seinem Sitze zu geben, und in demselben
Moment sollte Erzherzog Johann sofort die Schnur in
Bewegung setzen. Die Geisterfalle war aufgestellt; sehen
wir nun die weitere Entwicklung des kleinen Dramas. In
aristokratischen Kreisen wird die Szene folgendermaßen
geschildert:

Das Medium Bastian war zu der Seance, wie es in sol-
cher Gesellschaft schicklich ist, in tadellosem schwarzen
Frack erschienen. In diesem feierlichen Kostüm nahm er
hinter dem oben geschilderten Vorhange auf einem Sessel
in dem ganz finsteren Nebengemache Platz. Das Gemach,
in welchem die Herren saßen, war zwar schwach, aber
hinreichend erleuchtet, um alles zu sehen, was in dem-
selben vorging.

Die Händekette wurde von den sieben Herren gebildet.
Eine Pause. Dann erzitterte leise der Teppichvorhang.
Eine verschwommene Gestalt tritt unhörbar heraus. Der
erste Geist. Man kann kaum die Umrisse unterscheiden.
Er bewegt sich langsam. Die Figur ist auffallend groß.
Er verschwindet dann hinter dem Vorhang.

Dann erscheint, immer aus dem dunklen Raum hinter
dem Vorhang kommend, ein zweiter Geist. Man glaubt ein
weibliches Wesen zu unterscheiden. Er ist kleiner als der
erste Geist. Aber auch er ist sehr undeutlich und sehr ver-
schwommen.

Es zeigen sich hierauf noch drei andere Geister, Männ-
lein und Weiblein, nach der Kleidung zu schließen, die sie
anhatten, und nach ihrer Größe. Sie wurden übrigens
immer deutlicher in ihren Umrissen. Sie verschwinden
wieder alle.

Endlich erscheint der letzte, der sechste Geist.

Wieder bewegt sich der Vorhang, der auch zweiteilig
ist. Aus dem Spalt des Vorhanges blickt zuerst ein Kopf
in das mattbeleuchtete Zimmer hinein. Der Kopf ist hoch
oben, eine sehr große Gestalt also. Dann entwickelt sich
langsam aus dem Vorhange hervor die ganze Figur. Ein
wallendes, weißes, wie Nebel zartes Gewand hüllt sie ein.
Jetzt kann man den Kopf etwas besser unterscheiden.
Kein Zweifel, man hat eine weibliche Gestalt vor sich.
Sie scheint halb zu gehen, halb zu schweben. Sie ist viel
deutlicher als die früheren fünf Gestalten. Jetzt ist sie
ungefähr zwei Schritte weit in das Gemach hineingetre-
ten oder hineingeschwebt . . .

Da erhebt sich plötzlich der Kronprinz. Die Händekette
ist unterbrochen. Das Signal ist gegeben. Die anderen An-
wesenden wissen nicht, was geschehen ist.

Das Signal ist gegeben: der Erzherzog Johann erhebt
sich ebenfalls und greift nach der Schnur. Das Wachs,
mit dem sie an der Wand befestigt war, löst sich leicht.
Ein rascher Zug und —

Und man hört zunächst ein heftiges Zusammenklappen
von zwei schweren Gegenständen aus Holz. Was geht
da vor? Baron Hellenbach ist aufgesprungen, die übrige
Gesellschaft erhebt sich rasch von ihren Sitzen. Soll
plötzlich etwas fürchterlich Ungeahntes geschehen?

Der Geist aber ist plötzlich verschwunden.

Die Geisterfalle ist zugeklappt, der Mechanismus hat
seine Schuldigkeit getan, der Geist aber ist verschwunden
und nur der Vorhang hat eine stärkere Bewegung gezeigt.

Der Kronprinz eilt auf den Vorhang zu. Entschlossen
faßt er in eine der schweren Falten desselben hinein;
er fühlt einen menschlichen Körper. Da ist der „Geist"!

Der Erzherzog Johann ist nachgeeilt. Aus den Falten
heraus entwickelt sich eine — menschliche Gestalt. Der
Kronprinz faßt sie bei der linken Hand, der Erzherzog
Johann bei der rechten. Noch sieht man auf dem Haupte,
an dem Körper der Gestalt einen weißen, schleierartigen
Stoff. Aber nur einen einzigen Augenblick. Die Gestalt
hat mit einem überaus kräftigen Ruck ihre rechte Hand
freigemacht. Dann folgt ein zweiter Ruck, und der weiße,
schleierartige Stoff ist verschwunden. Die rechte Hand
der Gestalt macht dabei eine blitzschnelle Bewegung
gegen die Brusttasche des — Fracks.

Da steht er wirklich der — Herr Bastian in seinem
schwarzen Frack. Das ist also der „Geist".

Die Türe mit den guten, starken Federn, sie ist fest ge-
schlossen. Als sie mit heftigem Geräusch zusammen-
klappte, eilte Bastian auf sie zu. Unmöglich, sie zu öffnen.

Gefangen!

Er sucht ein Versteck in dem Vorhang. Aber da wird
er von der Hand des Kronprinzen gefaßt. Er sucht sich
zu entwinden, da faßt ihn die Hand des Erzherzogs
Johann.

Kein Entrinnen mehr: gefangen!

Das Licht im Gemach wird nun verstärkt. Man kann
die ganze Szene klar übersehen.

Das „Medium" Bastian hat in dieser rapiden Szene, da
es hinter dem Vorhang hervorgeholt wurde, eine bemer-
kenswerte Kraft und eine große Geschmeidigkeit ent-
wickelt. Kein Wunder; denn bevor es ein Geistermedium
war, soll es ein — Zirkusclown gewesen sein!
Er steht nun wieder da in seinem Salonanzug, doch
eines fehlt ihm jetzt an seiner Toilette. Und dieses eine
kann er nicht erlangen, denn es befindet sich hinter der
bösen Klapptüre, der verhängnisvollen Geisterfalle.

Bastian hat nämlich keine Stiefel an. Er steht da im
Ballkostüm, aber er trägt bloß Socken an den Füßen,
dicke Socken, die den Schritt unhörbar machen. Die
Stiefel hatte er ausgezogen, als er hinter dem Vorhange
saß, um die „Geister" erscheinen zu lassen . . .

Was soll man mit dem Menschen beginnen? Er stam-
melt einige Worte; man sagt ihm, er solle gehen. Der
Herr Erzherzog verzichtet darauf, ihn als Betrüger fest-
nehmen zu lassen. Das „Medium" schleicht fort auf seinen
Socken. Wie es dann weiter gekommen ist nach Hause,
das ist nicht bekannt geworden.

Die Gesellschaft blieb noch eine Weile beisammen. Der
klägliche Abzug des großen Geistermediums erregte die
größte Heiterkeit. Baron Hellenbach hielt einen kurzen
Vortrag über den Vorfall, in welchem er den vollkomme-
nen Betrug zwar anerkannte, jedoch zu beweisen ver-
suchte, daß derselbe nichts beweise. Nicht einmal das,
daß Bastian immer ein Schwindler gewesen sei. Diesmal
habe zwar Bastian geschwindelt, aber hunderte Male
früher nicht. Das sei gewiß; hunderte Male seien durch
die Mediumschaft Bastians, durch seine Vermittlung,
wirkliche Geister erschienen.

In dieser Art sprach Baron Hellenbach, der, als der
Geist erwischt worden war, zuerst in die Worte aus-
brach :

„Aber, meine Herren, sehen Sie doch nur, das Medium
befindet sich in Trance" (sprich Trans).

Worauf der Kronprinz erwidert haben soll:

„Ich bitte, es scheint mir, es befindet sich in „Zis".

Man ließ sich übrigens mit Herrn Baron Hellenbach in
keine Diskussion ein. Er empfahl sich bald und die übrige
Gesellschaft blieb noch eine Zeit in heiterem Gespräche
beisammen, die interessanten und lehrreichen Vorfälle
dieses merkwürdigen Abends erörternd. Ein geistvoller
und wohlkombinierter Coup war vollständig gelungen,
dem modernsten Aberglauben, dem Spiritismus, eine tiefe
Wunde geschlagen.

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