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Dieses Thema hat 1 Antworten
und wurde 951 mal aufgerufen
 Weihnachten, Ostern und co.
Thoralf Zeller ( gelöscht )
Beiträge:

12.12.2008 11:32
RE: Weihnachtsgeschichte Antworten

Fritzchens größter Wunsch
Eine Weihnachtsgeschichte zum Nachdenken

So lange wünscht sich Fritzchen schon ein Haustier - einen Freund, der immer Zeit für ihn hat! "Mama, Papa, wann bekomme ich endlich ein Tier?", hat er seine Eltern immer wieder gefragt und war an den Schaufensterscheiben des Zooladens fast klebengeblieben. "Ratten und Mäuse kommen mir nicht ins Haus!", warnte jedesmal die Mutter. "Vögel machen Lärm und Schmutz!", gab der Vater zu bedenken. So quengelte und drängelte Fritzchen weiter, doch es blieb still und sauber in der Wohnung.
Dann kam die Vorweihnachtszeit. Lichterglanz und freundliche Stimmung unter den Menschen gingen auch an Fritzchens Eltern nicht spurlos vorüber. "Soll der Junge doch ruhig ein Tier haben", sagte eines späten Abends der Vater und die Mutter nickte. Als der Vater kurz vor dem Fest auf der Betriebsweihnachtsfeier mit seinen Kollegen über den hartnäckigen Wunsch seines Sohnes sprach, schob einer von ihnen in Bierlaune ein Foto über den Tisch: Fünf watteweiche Mischlingswelpen auf einer grünen Wiese. "Sind ja recht niedlich und klein," entfuhr es dem Vater. "Und auch nicht teuer", fügte der Kollege hinzu. In fröhlicher Stimmung wurden sich die beiden handelseinig und als der Vater am anderen Morgen die Mutter einweihte, verdrehte die nur die Augen und gab nach.
Am Heiligen Abend stand dann ein großer, verdächtig wackelnder Karton unter dem Weihnachtsbaum. 'Für Fritzchen' prangten große, blaue Filzstiftbuchstaben auf dem Deckel. Als der voller Ungeduld hineinschaute, leuchteten seine Augen für einen Moment noch heller, als der ganze Lichterbaum. "Darf ich ihn herausnehmen?", fragte er. "Klar doch!", nickten die Eltern. Dann wurde der kleine Hund von Schoß zu Schoß gereicht und alle Gäste begutachteten das flauschige Welpenfell und gaben Namensvorschläge zum Besten. Den Rest des Abends hatte Fritzchen seinen neuen Freund für sich und gar keine Augen für das leckere Weihnachtsessen.
Er spielte stundenlang mit Flocke, diesen Namen hatte er längst ohne die Erwachsenen festgelegt, und irgendwann schlief der kleine Welpe erschöpft ein. Fritzchen war nicht weniger müde und der Vater brachte ihn ins Bett.
Als die Eltern am nächsten Morgen aufwachten, saß Fritzchen längst wieder im Weihnachtszimmer bei seinem neuen Freund. Dass Flocke in der Nacht eine Pfütze neben dem Tannenbaum hinterlassen hatte, übersahen Vater und Mutter großzügig. Denn keiner hatte daran gedacht, dass ein Welpe noch sehr oft vor die Tür muß. Gleich nach dem Fest besorgte Vater ein Buch, eine Bedienungsanleitung für Hunde sozusagen. Die nützlichen Tipps machten Flocke bald stubenrein und am Tage ging Fritzchen mit seinem Hund ja auch lieber einmal zu oft Gassi. Denn seine Kumpels auf der Straße staunten nicht schlecht und waren fast ein bißchen neidisch. Nachts war der Vater dran, wenn Flocke unruhig wurde, und heimlich verfluchte er besonders bei schlechtem Wetter den Tag, an dem er dem größten Wunsch seines Sohnes nachgegeben hatte.

Versöhnt war er dann jedesmal, wenn die Familie gemeinsam am Eßtisch saß und sein Blick Flockes große braune Augen traf. Ein Häppchen vom Teller fiel dann immer für das Wollknäuel ab. Nicht anders erging es der Mutter und Fritzchen war ohnehin froh, dass ihn jetzt keiner mehr zum Aufessen ermahnte.
Sechs Monate später wog Flocke fast fünfzig Kilogramm. "Gesagt hat mir das vorher keiner und seine Mutter habe ich auch nie zu Gesicht bekommen!", wetterte der Vater. Denn nun mußte Flocke zwar nur noch zweimal am Tag Gassi gehen, doch jedesmal mit Vater. Alle hatten in den vergangenen Monaten viel mit dem Welpen gespielt, doch an Erziehung hatte niemand gedacht. Für Fritzchens Erstklässler-Arme war Flocke einfach viel zu stark geworden und manchmal rannte er einfach los, wenn er etwas Interessantes sah. Bei den Mahlzeiten lag Flockes Schnauze jetzt sabbernd dort, wo immer etwas zu holen war: auf dem Tisch. "Du sollst doch nicht immer betteln!", fauchte Mutter. "Hau ab!", brüllte der Vater. Flocke haute nicht ab. Ab sofort bekam er deshalb einen neuen Platz auf dem Flur. Heulend und an der Tür kratzend machte der Hund seinem Unverständnis über das plötzliche Rudelverbot Luft. Er war jetzt für alle nur noch groß, laut, ungestüm und ungezogen. "Der Hund stinkt!", knurrte Vater nach einem Regenspaziergang. "Und ich muß wieder das ganze Haus putzen!", fluchte Mutter.
Zum Geburtstag hatte Fritzchen dann seinen ersten Computer bekommen und jetzt überhaupt keine Zeit mehr für Flocke. Zu spannend war das Spiel, das ihm die Großeltern dazu geschenkt hatten: "Das virtuelle Haustier". Es war wie im richtigen Leben.
Sieben Wochen später war Urlaubszeit. Vater hatte superbillig zwei Wochen Türkei buchen können. Alles im Preis enthalten. Zwei Wochen Sonne, Sand und Meer für 399 Euro! Mutter war begeistert und Fritzchen außer sich vor Vorfreude. Nur Flocke, der längst seinen Schlafplatz im Schuppen gefunden hatte, konnte nicht mit. "Immer diese Umstände mit dem Hund!", sagte der Vater. "Man ist so angehangen!", stellte die Mutter fest. Fritzchen probierte gerade sein neues Computerspiel "Flugsimulator" aus.
Sein zweites Weihnachtsfest verbringt Flocke nun im Tierheim. Er ist seit dem Abflug der Familie in den wohlverdienten Urlaub dort. Aus familiären Gründen. Keiner hat ihn wieder abgeholt oder besucht. "Bloß gut, dass der Streß vorbei ist!", sagt der Vater am Heiligen Abend. "Der Hund war nur eine Belastung für uns!", ergänzt die Mutter. Die Verwandtschaft am festlich gedeckten Tisch nickt zustimmend und alle lassen sich in tiefstem Rechtschaffenheitsgefühl die Tiefkühlgans schmecken. Sie war im Angebot.
Fritzchen hat wenig Zeit zum Essen. Sein neues Computerspiel "Das virtuelle Tierheim" ist zu spannend.

Thoralf Zeller, Würchwitz

sola ( gelöscht )
Beiträge:

16.02.2009 21:26
#2 RE: Weihnachtsgeschichte Antworten

Ich finde die Geschichte gut. Naja, man kann zwar ein wenig ahnen worauf es hinauslaufen wird, die Sache regt aber zum Nachdenken an und beschreibt eine Situation, die es wohl tausendfach gibt und imme geben wird. Sehr traurig. Übrigens finde ich auch die kleinen Seitenhiebe nicht übel (Tiefkühlgans im Angebot usw...)
Das wirft schon ein bestimmtes Bild.

LG

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