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 Hinrichtungen und Hexenverbrennung am Donaukanal
dunkelland Offline




Beiträge: 154

18.09.2008 23:21
RE: Hinrichtungen und Hexenverbrennung am Donaukanal Antworten

Die Gänsweyd am Donaukanal


Es ist ein klarer, freundlicher Herbsttag, der zu einem Spaziergang am Wasser einlädt. Wer die Möglichkeit hat am Donaukanal entlang zu wandern, der sollte es einmal tun, nicht nur um der körperlichen Gesundheit willen, sondern auch um ein wenig der Großstadt zu entkommen, die eigenen Gedanken mit dem friedlichen Strom forttragen zu lassen. An manchen Stellen liegen an diesem Tag Menschen entspannt im Gras, genießen die warmen Sonnenstrahlen, spielen mit ihren Hunden oder lesen ein Buch. Es ist der 27. September und wohl kaum einer der Ausflügler hier weiß, dass genau an jenem Tag vor beinah 400 Jahren die alte Elisabeth Plainacher in dieser Gegend unter lautem Johlen und Geschrei an einem Pfahl gebunden und grauenvoll umgebracht wurde. 12652 Teufel habe sie ihrer Enkelin angezaubert, ehe man dem dämonischen Treiben ein Ende setzen konnte, das dem der Plainacher gleich kam. Verschärft musste das Urteil vollstreckt werden, das heißt bei vollem Bewusstsein hatte man sie verbrannt. Die Asche wurde danach vom Donauwasser fortgetragen, so wie heute der Staub einer Millionenstadt.

Die Vorgeschichte zu dieser Hexenverbrennung, von denen es an diesem Ort tatsächlich nur eine gab, ist durchaus mysteriös und kommt einem Kriminalfall recht nahe. Auch wurde dieser Prozess rasch zum Spielball religiöser Ambitionen und der hohen Politik. Selbst der Kaiser wurde unterrichtet. Vor allem aber eine Figur, die des Schwiegersohnes Georg Schlutterbauer, scheint zu Beginn eine treibende Kraft gewesen zu sein. Fest steht, dass er Elisabeth Plainacher als Hexe denunzierte. Auch war er ein Säufer und durchaus zu Gewalttaten fähig. Den Verdacht zu belegen, darüber hinaus noch ein dreifacher Kindsmörder zu sein, bleibt uns die Historie allerdings schuldig.

Die Geschichte der Elsa Holtzgassner, wie Elisabeth mit Mädchennamen hieß, steht wohl stellvertretend für das Schicksal unzähliger Frauen, die ihr schlichtes, von Entbehrungen gezeichnetes Leben zu Beginn des 16.Jahrhunderts fristeten.

Irgendwann im Jahre 1513 erblickte Elsa als eines von mehreren Kindern der Familie Holtzgassner das Licht der Welt. Die Familie betrieb am am rechten Ufer des Flusses Pila eine Mühle. Mit Ausnahme des Bruders Vitus lässt sich über die Geschwister allerdings nichts mehr feststellen.

Elsa ging in ihrem Leben mehrere Bindungen ein und hatte offenbar auch zumindest ein uneheliches Kind, zu dem ebenfalls keine näheren Angaben gemacht werden können. Die Annahme, dass es eines frühen Todes starb, scheint schon aufgrund der hohen Kindersterblichkeit in jenen Tagen durchaus berechtigt.

Bald danach heiratete Elsa den Müller Paumgartner (Vorname nicht bekannt), der allerdings nicht sehr lange an ihrer Seite blieb. Ob er verstarb oder sich von ihr lossagte kann nicht zweifelsfrei beantwortet werden, von einer Scheidung wird jedenfalls nicht gesprochen. Aus dieser Verbindung entstammten immerhin zwei Kinder – Achatius – der den Beruf des Müllers erlernte um das Familienunternehmen weiter zu führen und Margareth, die in den verhängnisvollen Ereignissen rund um den Hexenprozess noch eine unfreiwillige Rolle zu spielen haben würde.

Eine weitere Ehe folgte mit einem gewissen Plainacher, ein wahrscheinlich Besitzloser, der im Auftrag seines Herrn einen Hof in der Nähe von St. Pölten bewirtschaftete.

Die Probleme begannen mit der Heirat der Tochter Marageth, die um das Jahr 1550 anzusetzen ist. Was darauf folgte, geschieht auch heute noch millionenfach, allerdings in der Regel ohne die verhasste Schwiegermutter gleich auf den Scheiterhaufen zu befördern. Georg Schlutterbauer, der frischgebackene Schwiegersohn, entpuppte sich als Versager, mit einem Hang zur Trinksucht und körperlichen Züchtigung. Die Beziehung zu seiner Schwiegermutter dürfte denkbar schlecht gewesen sein. Trotz der fehlenden Harmonie entstammten dieser Ehe vier Kinder – Catharina, Ursula und Hensel, die relativ rasch zur Welt kamen und Anne, mit zehnjähriger Verspätung. Margareth überlebte die letzte Geburt nicht, sie starb noch im Kindbett. Offensichtlich nahm sie der Großmutter Elisabeth aber noch das Versprechen ab sich um die kleinste Enkelin persönlich zu kümmern, den Elisabeth holte die kleine Anne zu sich und zog sie auf.

Das Verhältnis zu ihrem Schwiegersohn dürfte sich in dieser Zeit wohl auch durch den Streit um das Kind soweit verschlechtert haben, dass Schlutterbauer wutentbrannt seine verhasste Schwiegermutter der Hexerei bezichtigte. Die Plainacherin gebe ihm sein Kind nicht zurück hieß es, sie würde die kleine verhexen und für den Teufel gefügig machen. Interessant ist, dass die Obrigkeit in Wien zunächst relativ wenig Interesse an dem Fall zeigte und nach eingehender Prüfung des Mädchens und mehreren Exorzismen (unter anderem in Mariazell) beide für lediglich schwachsinnig erachteten, mit der Empfehlung sie ins Bürgerspital zu stecken.

Ein wesentlicher Faktor im weiteren Fortgang der Ereignisse dürfte auch die sogenannte Gegenreformation gespielt haben und die Tatsache, dass Elsa Plainacher protestantischen Glaubens war oder diesem zumindest sehr nahe stand. Rasch wurde der Fall Plainacher zu einem Politikum und Instrument im schwelenden Glaubensstreit jener Tage. Es wird berichtet, sie habe Anna mehrmals zu lutherischen Predigten mitgenommen und den ungeliebten Schwiegersohn „Crotten“ und „Papischtischen Hundt“ geschimpft.

Dass der Fall Plainacher nicht zu den Akten kam und die alte Elsa anstatt ins Bürgerspital in die Folterkammer, geht auf einen kaiserlichen Befehl vom 31 Juli 1583 zurück. Geschickt wusste man den Spieß nun umzudrehen: Nicht die, offensichtlich von Dämonen besessene Anna stellte den Mittelpunkt des Interesses dar, es galt den Verursacher all jener dunklen Machenschaften zu finden, den Mittler und Verführer.

Die Anklage lautete der zauberischen Schädigung ihrer Enkelin, des Giftmordes an ihrem Mann und den anderen Schlutterbauer – Kindern. Zusätzliche Punkte wie Beleidigung des Schöpfers und Vergehen gegen die göttliche Majestät wurden von kirchlicher Seite noch hinzugefügt. Elsa Plainacher wurde von kaiserlichen Mandaten unter Anwendung gesonderter Sicherheitsmaßnahmen nach Wien verbracht, wo sie unter mehrmaliger Tortur und längerem Kerkeraufenthalt alles gestand was man von ihr hören wollte. Die zu verifizierenden Aussagen stammten dabei von der geistesschwachen Enkelin, die auch unter Epilepsie gelitten haben dürfte und aufgrund „geheimnisvoller Anfälle“ prädestiniert für jedliche Form von Dämonenspuk war. Unter anderem wurde Elsa Unzucht mit dem Teufel vorgeworfen und den Verkauf von Anna an den Leibhaftigen. In einen Apfel sei der Teufel geschlüpft den man Anna zu essen gab um sie so gefügig zu machen. Immer wieder sei der Teufel in unterschiedlicher Gestalt erschienen, als Katze, Mücke oder Garnknäul, als haarige Mannsgestalt um sie, Anna, zur Frau zu nehmen. Auch haben Schlangen in großer Zahl bei der Plainacherin gehaust, hieß es und ein ungeborenes Kind von Anna aus vorehelichem Verkehr, wäre von der Großmutter zum Wettermachen verwendet worden. Die Liste der Anschuldigungen war lang, nichts schien zu absurd. Dabei fällt es nicht schwer sich vorzustellen, dass viele der Aussagen durch gezieltes Irreführen und Verwirren des Mädchens entstanden, bzw absichtliche Falschinterpretationen getätigt wurden.
Wie sehr der Fall Plainacher als Waffe zu Gunsten der Gegenreformation missbraucht wurde zeigt auch die Rolle des in Schwaz in Titol geborenen Georg Scherer, ein fanatischer Jesuit, dessen flammende Hasspredigten nicht nur dem Schlutterbauer Georg mehr als gelegen kamen. Vor dem wiener Stephansdom baute sich Scherer auf und hämmerte seine Ideen von der Bekämpfung des Hexenunwesens - nur unter Anwendung des katholischen Glaubens natürlich - wortgewaltig in die Köpfe der einfachen Menschen.

Am 27 September 1583 band man Elsa schließlich auf ein Brett und schleifte sie so der Richtstätte entgegen, wo bereits ein Scheiterhaufen errichtet worden war. Man rieb Haare und Kleider der alten Frau mit Schwefel ein und schichtete dürres Holz um sie auf. Die Verbrennung sollte zum Volksfest werden, eine willkommen Abwechslung im tristen Leben der einfachen Menschen jener Tage.
Wie tief dieser Fall in die Köpfe und Herzen der Menschen kroch, zeigt die Tatsache, dass der Begriff „Plainacherin“ noch lange nach Elsas Tod als Schimpfwort gebraucht wurde.
Georg Schlutterbauer bekam seine jüngste Tochter trotz allem übrigens nicht mehr zurück. Es stellt sich die Frage, wie weit er durch die Szenerie der Hexerei von eigenen Straftaten abzulenken suchte, da seine drei Kinder mit Margareth unter mysteriösen Umständen den Tod fanden, stets Nachts und im Bett schlafend. Untersucht wurden die Vorfälle allerdings nie. Schlutterbauer jedenfalls beendete sein Leben Jahre später als einfacher Tagelöhner ohne eigenen Hof, in der Nähe von Texing in Niederösterreich.
Georg Scherer fiel ebenfalls seinen übersteigerten Ambitionen zum Opfer, wenn auch erst im Jahre 1605 in Linz. Ihn traf während einer seiner berühmten Hetzreden auf der Kanzel der Schlag.
Überstanden hat das ganze Unheil schließlich nur die geistig zurückgebliebene Anna selbst, nach mehreren, - auch öffentlichen - Exorzismen, elternlos und abgeschoben. Sie wurde in das Barbarastift für weltliche Damen (damals Postgasse, Wien 1) gebracht wo sich ihre Spuren im Dunkel der Geschichte langsam verlieren.


Auch wenn der Fall Plainacher die einzige Hexenverbrennung jener Tage darstellt, Scheiterhaufen wurden auf der sogenannten Gänseweyd mehrere errichtet, teils lange vor dem eben geschilderten Ereignis.
Herzog Albrecht V. fällt mir ein, der im März 1421 folgenden „Ruef“ an den verschiedensten Plätzen Wiens verkünden hat lassen:

“Hoert und merkhet maenikleich: euch let wissen mein gnaediger herr Herzog Albrecht, dasz der obgenant unser gnaediger herr alle Juedischheit allenthalben in seinem landt auf heutigen tag geschafft zu richten mit dem prannt.“

Das „Prannthaus“ war dabei eine einfache wie stabile Konstruktion aus Holz, Wachs und Pech, in dem genügend Platz vorhanden sein musste um 210 jüdische Männer und Frauen dem Feuertod zu übergeben, weil sie sich geweigert hatten, die Taufe zu empfangen. (Andere Quellen sprechen on rund 200 Personen.) In Karren zur Gänseweid gebracht, wurden sie ein letztes Mal vor die Wahl gestellt. Keiner aus jener Gruppe ist konvertiert.
Dafür ist er persönlich gekommen, der Herzog, um diesem Schauspiel beizuwohnen und man erzählte sich, noch lange Zeit seien trotzig hebräische Gesänge zu hören gewesen, bevor die letzten Schreie vom Märzwind fortgetragen wurden.
Dieser Judenverfolgung dürften politische, vor allem aber auch finanzielle Interessen zugrunde gelegen haben. So berichten verschiedene Quellen von Folter und Kerker vor allem für reicheren Juden, um die Verstecke geheimer Schätze zu erfahren. Die ärmeren Schichten waren schon zuvor aus dem Land gewiesen worden, zum Teil in kleinen Booten ohne Ruder, die hilflos dem damals noch ungezähmten Donaustrom ausgeliefert wurden. Viele sollen es unbeschadet bis nach Pressburg geschafft haben.

Unterstellt wurde der jüdischen Bevölkerung auch, Waffen an die verhassten Hussiten verkauft zu haben, worauf der Herzog, den man gemeinhin auch als „Hussitenfresser“ bezeichnete, trotzig den Schwur tat, er würde sich im Falle einer Niederlage grimmig an den Juden rächen. Als Albrecht im August 1420 erfolglos aus Böhmen heimkehren musste, war das Schicksal der jüdischen Bevölkerung praktisch besiegelt.

In diese Zeit fallen auch viele Zwangstaufen, vor allem von Kindern, die ebenfalls auf den Willen des Herzogs zurück zu führen sein dürften. Wie viele dieser Kinder einen Märtyrertod starben anstelle das Christentum aufgezwungen zu bekommen, kann heute nur noch erahnt werden.

In Verbindung mit den Judenverfolgungen steht übrigens auch die Hinrichtung der Mesnerin von Enns, die den Juden Hostien verkauft haben soll, auch sie wurde kurzerhand am 16. April 1421 auf dem Gänsefeld verbrannt.

Kaum hundert Jahre später besinnt man sich des aufstrebenden Protestantismus in Wien und so bleiben auch derart motivierte Hinrichtungen nicht aus. Am 27 September 1524 schleift man den Hausherrn Kaspar Tauber, einen Unverbesserlichen wie die Akte uns erzählt, von dem Platz vor der Stephanskirche an ein Pferd gebunden auf die Gänseweid, weil er nicht abschwören wollte von seiner Lutherei. Als man ihm die Möglichkeit bot, von seiner Ketzerei öffentlich abzuschwören, schrie er seine Überzeugung nochmals laut in die Welt hinaus, worauf man ihm flux die Zunge abschnitt. Auch er wurde verbrannt, in einem weißen Armensünderhemd, unter dem Beifall der Wienerstadt.

Diese Hinrichtung dürfte den Bäckergesellen Johann Hayn allerdings wenig beeindruckt haben, als er im Jahre 1549, während der Frohnleichnahmsprozession, dem Priester die Monstranz aus der Hand schlug und den verdutzten Geistlichen als Belialspfaffen beschimpfte. Das Ende vom Lied war der Scheiterhaufen, nachdem man dem Bäcker ebenfalls die Zunge herausgerissen und ihn nach allen Regeln der Kunst geschunden hatte.

Wiedertäufer und Türkenkriege hat die Gänseweid gesehen, Hexen , und Verbrecher wurden an diesem Ort auf jede nur erdenkliche Weise umgebracht.
Erst mit Beginn des 18ten Jahrhunderts kehrt langsam Ruhe ein, nun sind es vornehmlich noch Deserteure die dort ihr Leben lassen, meist durch erschießen oder hängen:

9. Oktober 1748: „Christianus Krusca ist auf der Gänszweid mit dem Strang hingerichtet worden wegen Desertierung über die Mauer, er war aus Schlesien gebührtig ohne Profeshion vom Molkischen Regiment.“

1. August 1750: „Joannes Thimortier zu Namür in Niederland gebührtig, gemeiner von Max-Hessen Regiment, ist wegen Desertierung und Diebstahl mit dem Strang auf der Gänszweid hingerichtet worden.“

Ein besonders schwerer Fall findet sich hier:
14. Juni 1756: „Phillipus Lang, 42 Jahr von Pappenhausen gebührtig, ein Seiden-Würker, gemeiner unter dem Daunischen Regiment, ist mit Strang auf der Gänzsweid hingerichtet worden, wegen 12maliger Desertierung, 4mal von Daun, 1mal von Arenberg und 7mal von andere Potentaten.“

Aufgehoben wird die Todesstrafe erst unter Kaiser Josef II und dann kommt auch die Gänseweid langsam aus der Mode. Doch bis dahin ist es noch ein weiter weg. Unzählige Protokolle füllen im Laufe der Jahrhunderte die Archive, es wird verbrannt, geköpft, erstochen, erschossen, verstümmelt und geschändet bis die Zeit endlich reif scheint für eine humanere Gesellschafts- und Rechtsform.

Von der Gänseweid ist heute nichts mehr geblieben. Wo einst hunderte Menschen für tatsächliche oder erdachte Verbrechen ihr Leben lassen mussten, stehen heute Zinshäuser, führen Strassen und Gassen am Donaukanal entlang, pulsiert das Leben wie überall in Wien. Besagter Ort befand sich übrigens zwischen Hetzgasse und Kegelgasse, und wohl niemand kann heute noch erahnen, welch grausige Dinge sich abgespielt haben müssen.

Der Name Hetzgasse leitet sich übrigens von dem Wort „hetzen“ ab und das nicht ohne Grund. Denn zu einer Zeit, als die Gänseweid ihren Schrecken schon verloren hatte, entstand an beinah der gleichen Stelle eines der skurrilsten Gebäude Wiens, in dem blutige Tierjagden für zahlendes Publikum abgehalten wurden. Derartige Spektakel fanden unter anderem in diesem sogenannten Hetztheater zumindest solange statt, bis der hölzerne Bau eines Nachmittags bis auf die Grundmauern nieder brannte und viele der bemitleidenswerten Kreaturen darin mit in den Tod riss. Das allerdings ist schon wieder eine andere Geschichte.


W. Brenner, 2008

http://dunkelland.blogspot.com/

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