Schmetterling und Taucherglocke von Jean-Dominique Bauby
Kann ein Mann, der nach einem Hirninfarkt am gesamten Körper gelähmt ist und nur durch Zucken seines Augenlids mit der Außenwelt kommuniziert, ein authentischen Buch schreiben lassen? Das noch dazu erfolgreich verfilmt wird? Er kann. Eben durch dieses Zucken, bzw. Blinzeln diktiert er seine Gedanken anhand von einer Sekretärin des Verlages hochgehaltenen Buchstabentafeln. Buchstabe für Buchstabe entstehen lesbar gemachte Gefühle, Wut , Trauer, Ironie, Sarkasmus und viele Erinnerungen an sein vorheriges Leben. Bauby beschreibt seine Innenwelt, wie das Leben in einer Taucherglocke - aber seine Gedanken fliegen wie Schmetterlinge umher. Gleichzeitig wird ihm bewusst, und das teilt er im Roman völlig unsentimental, manchmal verbittert, aber an vielen Stellen mit aberwitzigem Humor mit, dass er nun "nach dem Leben und vor dem Tod" alle Zeit der Welt zum Denken und Erinnern hat - und Zeit für grenzenlose Phantasien. Erschreckend liest man aber auch von Bauby, welche schlimmen Erfahrungen der am Locked-in-Syndrom Erkrankte mit Pflegern und Ärzten macht, die ihn kaum noch wahrnehmen, nicht mehr für voll nehmen, abgeschrieben haben, wie entwürdigend er sein Schicksal empfindet, von distanzlosen witzelnden Schwestern gewindelt zu werden. Und dann wieder teilt der Journalist seine unendliche Sehnsucht mit, seinen Sohn umarmen zu wollen. Vergeblich.
Fazit: Ein empfehlenswertes Buch für Leser, die sich auf dieses Schicksal einlassen möchten und können. Ich bin sehr beeindruckt und werde es sicher noch einmal lesen.
ich bin tief beeindruckt muß ich sagen und werde mich nach diesem Buch bei Zeiten umsehen. Klingt jedenfalls sehr lesenswert. Der Gedanke, jeden Buchstaben eines Wortes extra diktieren zu müssen läßt mich schaudern, wobei... Vor recht langer Zeit habe ich mal eine ähnliche Form der Kommunikation erlernt und miterlebt, wie ein Mensch, der nicht zu sprechen und zu schreiben in der Lage war, ganz wunderbare Sätze gesagt hat. Faszinierend.
Lieber Willy, erwarte aber nicht zu viel von diesem Buch - nein, es ist eher ein Büchlein und in ein paar Stunden durchgelesen. Trotz der vielen überschwänglichen Kritiken bei Amazon; es handelt sich "nur" um eine, durch journalistische Sprache kühl und distanziert wirkende Seins-Schilderung eines völlig Gelähmten, der vom Jetzt erzählt und dann wieder in Erinnerungen schwelgt. Erst der Umstand, dass man sich vorzustellen versucht, was dieser Mensch durchlebt, durchleidet und allein mit seinen Gedanken ausmachen muss, macht das Buch zu etwas Besonderem und gewinnt dadurch an Dichte.
Ich habe es eben noch ein zweites Mal gelesen. Dadurch komprimiert sich Einiges, andere kleine Episoden wirken nichtiger. Trotzdem: Es ist ein wunderbares Buch - das auch nachdenklich machen kann, wie es einem selbst einmal gehen kann, vielleicht im hohen Alter, wenn man, für den Rest seines Lebens evtl. bettlägerig, gebrechlich und/oder auf Pflege angewiesen ist. Wie gut, wenn man dann seine Gedanken wie ein Schmetterling umherflattern lassen kann - man genug Bilder, Farben und Gerüche gesammelt hat, um mit diesen kostbaren Erinnerungen zu (über)leben.
Und da spanne ich jetzt einen Bogen zu einer anderen Buchvorstellung. Eine Parabel für Erwachsene und gleichzeitig ein Kinderbüchlein für kleine Zwerge ab drei Jahren.
Frederick von Leo Lionni Es ist die schlicht grafisch dargestellte und liebevolle Erzählung von einem kleinen Feldmäuserich, der anstatt Vorräte für Hungerzeiten im Winter zu sammeln, lieber Farben, Gerüche, Wörter und Bilder sucht, sehr zum Leidwesen und Unmut der anderen, fleißig arbeitenden Mäusefamilie. Aber als dann Winter ist - die Vorräte aufgezehrt sind und die Nager bitterlich friered und hungerd in einer alten Feldmauer hausen, beginnt Frederick zu erzählen. Er vermittelt, wie schön Sommersonnenstrahlen sind, er dichtet kleine Zweizeiler von Himmelsmäusen und bringt den Mäuslein dank seiner Erzählkraft und der gesammelten Eindrücke die Wärme des Sommers zurück.
Eine gute Parabel für uns Erwachsenen, die bunte, schöne Welt um uns herum wahrzunehmen und dieserart Eindrücke zu speichern. Ob virtuell als Bilder, oder in Form von Niedergeschriebenem ... oder ganz einfach in unseren Gedanken. Sicher werden wir sie noch mal brauchen ...
In diesem Sinne: Carpe Diem! An die, die hier mitlesen: Das Leben besteht nicht nur aus Geld verdienen und ausgeben
Bist mir zuvor gekommen, liebe Elke An dieser Stelle also gleich ein kleiner Ausschnitt aus dem Büchlein Frederick
"Wer streut die Schneeflocken? Wer schmilzt das Eis? Wer macht lautes Wetter? Wer macht es leis? Wer bringt den Glücksklee im Juni heran? Wer verdunkelt den Tag? Wer zündet die Mondlampe an? Vier kleine Feldmäuse wie du und ich wohnen im Himmel und denken an dich. Die erste ist die Frühlingsmaus, die läßt den Regen lachen. Als Maler hat die Sommermaus die Blumen bunt zu machen. Die Herbstmaus schickt mit Nuß und Weizen schöne Grüße. Pantoffeln braucht die Wintermaus für ihre kalten Füße. Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind vier Jahreszeiten. Keine weniger und keine mehr. Vier verschiedene Fröhlichkeiten."